Freitag, 18. April 2014

Ein paar Gedanken über gesetzliche Feiertage

40% der Menschen in Deutschland gehören keiner christlichen Kirche an. Ist es da noch zeitgemäß, christliche Feste wie Weihnachten oder Ostern als staatliche Feiertage per Gesetz zu verallgemeinern? Selbstverständlich läßt sich das als Umsetzung des grundgesetzlichen Auftrags ansehen, die Freiheit der Religionsausübung zu garantieren. Doch wieso bloß für Christen? Seit Jahrzehnten leben viele Muslime in unserem Land - warum gibt es für diese keinen staatlich garantierten Feiertag? Und wäre es angesichts der deutschen Vergangenheit nicht ein lange überfälliges Signal, endlich jüdische Feiertage einzuführen (auch wenn nur 0,24% einer jüdischen Gemeinde angehören, gegenüber 0,9% 1925)?

Nun gibt es neben diesen sog. Weltreligionen weitere Religionsgemeinschaften; sollen diese diskriminiert werden? Insgesamt kämen, würde man alle in Deutschland lebenden religiösen Gruppen berücksichtigen, vermutlich so viele Feiertage dabei heraus, daß die Gewährleistung der alltäglichen Lebenserfordernisse möglicherweise eingeschränkt wäre. Die "Wirtschaft" würde sowieso auf die Barrikaden gehen, müßte sie den Arbeitnehmern doch wenigstens Zuschläge für die Feiertagsarbeit zahlen, aber im ungünstigsten Fall eben die gar nicht geleistete Arbeit; der Einzelhandel hätte Geschäftseinbußen zu beklagen. Das Gerechtigkeitsempfinden dürfte allerdings auch leiden: warum sollten diejenigen einen freien Tag bekommen, die gar nichts zu feiern haben? Eklatant ist das natürlich im Grunde jetzt schon, denn mindestens 40% feiern eben das christliche Ostern nicht. Und angesichts der ca. 5% muslimischen Gläubigen könnte man es durchaus als übertrieben ansehen, wenn an islamischen Feiertagen die anderen 95% (abzüglich der üblichen öffentlichen Bereitschaftsdienste natürlich) auch "frei" hätten.

Alles das sind keine Argumente dafür, die bisherige Feiertagspraxis beizubehalten. Die Basis gesetzlicher bzw. gesellschaftlicher Feiertage sollte allerdings sein, daß auch alle etwas zu feiern haben. Das gilt für Weihnachten und Ostern nicht, jedenfalls nicht so ohne weiteres. Für religiöse Feiertage sollte man sich eine spezifische Regelung überlegen, die nur den jeweiligen Gemeindemitgliedern die Ausübung ihrer religiösen Angelegenheiten garantiert. Ebenfalls wäre daran zu denken, der nach den Christen größten Gruppe (30% Konfessionslose, oft undifferenziert "Atheisten" genannt) zum Ausgleich eigene Feiertage zu geben, denn vermutlich sind die wenigsten davon areligiös.

Der wesentliche Punkt ist: Es wird höchste Zeit, daß wir uns als Gesellschaft Gedanken darüber machen, was uns eigentlich verbindet. Denn schließlich leben wir nicht nur in einem Land, das Menschen verschiedener religiöser Zugehörigkeit beherbergt - auch die sozialen Unterschiede bedingen z.T. erhebliche Differenzen in der Auffassung zum Leben allgemein, zum Verhältnis untereinander bzw. zwischen der verschiedenen "Subkulturen". Unterschiedliche Berufsfelder erschweren die Lage dann weiterhin. Auch die sozialen Gräben, die etwa durch die Hartz-IV-Gesetzgebung entstanden sind, lassen die Möglichkeit, Gemeinsamkeiten zu finden, arg zusammenschrumpfen. Wer alltäglich Empfänger von Sozialleistungen als "Schmarotzer" bezeichnet, dem dürfte das "Wir" eines gemeinsam begangenen, gesellschaftlichen Feiertages ohnehin fehlen.

Dies eingeklammert, mag ein Nationalfeiertag zustimmungsfähig sein (obschon auch hier darüber geredet werden müßte, worin außer der Vergangenheit der Nation, die gar nicht alle miteinander teilen, das Verbindende besteht); auch ein gemeinsames Erntedankfest ließe sich denken. Grundsätzlich erscheinen Jahreszeitenfeste als etwas, was alle Menschen in diesem Lande verbinden könnte, über alle verschiedenen Religionen hinweg.

Allerdings macht das Beispiel der Jahreszeitenfeste einen Diskussionsbedarf ganz eigener Art deutlich: So feiert etwa der Einzelhandel gerne Frühlingsfeste, die jedoch nur dazu dienen, die Kasse klingeln zu lassen. Viele Konsumenten greifen dabei gerne zu; und die vielen bunten Eier an den Sträuchern der Vorgärten sind wohl häufig mehr Zierrat, als daß es wirklich darum ginge, Fruchtbarkeit zu feiern - denn dann müßte man sich den eigenen Lebensstil doch mal genauer ansehen: Kann die menschliche Fruchtbarkeit angesichts einer explodierenden Anzahl Erdbewohner noch gefeiert werden, oder wäre das nicht eher bereits zynisch? Oder die Fruchtbarkeit der Hühner in den Eierleg- und Mastanlagen? Die Fruchtbarkeit der gehaltenen Herdentiere, denen wir es verwehren, sich auf üblichem Wege "von selbst" zu vermehren? Die Fruchtbarkeit der Erde, die wir mit dem Ausbringen von Pestiziden, Kunstdünger und Chemikalien wohl alles andere als ehren? Bleibt anzufügen, daß es aus denselben Gründen mit dem Erntedankfest wohl auch eher in Richtung Zynismus geht - zumal wir als "Geiz-ist-geil"-Nation uns auch gegenüber den Bauern, die wegen Preisdumpings ihre Höfe kaum noch halten können, eher zu schämen hätten.

Mithin: Wenn wir als Nation, als Gesellschaft gemeinsam feiern wollen, müssen wir wohl nicht nur dringend darüber reden, was uns als in demselben Land lebende Menschen überhaupt miteinander verbindet (und wen wir möglicherweise von vornherein davon ausschließen) - sondern auch darüber, was wir angesichts unseres Lebensstils überhaupt (noch) zu feiern hätten.

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